
Gefängnistattoos sind mehr als bloße Körperkunst. Sie erzählen Geschichten von Macht, Loyalität, Rebellion und Trauma. Wer sie trägt, sendet klare Botschaften – oft für Eingeweihte, manchmal als Warnung. Die Bedeutung solcher Tätowierungen ist tief verwurzelt in Hierarchien, Ritualen und unausgesprochenen Gesetzen hinter Gittern.
Warum Tattoos im Gefängnis entstehen
Inhaftierte nutzen Tattoos als Kommunikationsmittel. Ohne Worte teilen sie mit, wer sie sind, was sie getan haben, zu wem sie gehören oder wovor man sich besser fernhält. Die Motive werden meist mit improvisierten Werkzeugen gestochen – Kugelschreiberfedern, Nadeln, Ruß, Zahnpasta, Seife oder Asche. Hygiene ist zweitrangig. Aussagekraft steht über Ästhetik.
Häufige Symbole und ihre Bedeutungen
1. Tränen unter dem Auge
- Eine gefüllte Träne steht oft für einen Mord.
- Eine leere Träne kann bedeuten, dass jemand einen engen Freund verloren hat.
- Manchmal symbolisiert sie Trauer, Gewalt oder das Streben nach Rache.
2. Drei Punkte (⋅⋅⋅)
- Stehen für „Mi Vida Loca“ (Mein verrücktes Leben).
- Weit verbreitet in lateinamerikanischen Gangs.
- Drücken Verbundenheit mit einem kriminellen Lebensstil aus – ohne konkrete Gangzugehörigkeit.
3. Spinnennetz
- Symbolisiert lange Haftzeit.
- Häufig an Ellbogen oder Hals gestochen.
- Die Spinne im Zentrum kann für das Gefühl stehen, im System gefangen zu sein.
4. Triskelen oder Hakenkreuze
- Oft bei rassistischen Gangs, z. B. Aryan Brotherhood.
- Drücken ideologische Zugehörigkeit aus.
5. Fünf Punkte (Vier außen, einer in der Mitte)
- Symbol für den Inhaftierten (Mitte), umgeben von der Gefängniswelt (außen).
- Bekannt als „Quincunx“.
- Weltweit verbreitet, vor allem in Europa und Lateinamerika.
6. Gang-Initialen oder Symbole
- Buchstaben wie „MS“, „AB“, „14“, „13“ stehen für Gangs wie Mara Salvatrucha, Aryan Brotherhood oder Sureños.
- Zeigen Loyalität und Zugehörigkeit.
- Träger können gezwungen sein, diese dauerhaft zu behalten – unabhängig vom späteren Lebensweg.
Nicht jedes Tattoo wird freiwillig gestochen
Manche Gefangene werden unter Druck gesetzt oder sogar gewaltsam tätowiert. In autoritären Strukturen zählen Tattoos auch als Bestrafung oder Brandmarkung. Beispielsweise ein Schwein als Zeichen von Feigheit. Oder ein „Snitch“-Schriftzug, um Verrat zu markieren.
Tattoo-Standorte mit Bedeutung
- Hände/Finger: Statements über Loyalität, Morde, Gangs.
- Gesicht: Zeichen von Furchtlosigkeit oder Zwang.
- Rücken: Manchmal Rangsymbolik – z. B. das „Schwert“ für ein ausführendes Mitglied.
- Knöchel: Rebellion gegen Autorität (z. B. Tätowierungen mit Stacheldraht).
Bedeutung im Wandel
Einige Tattoos verlieren nach der Entlassung an Bedeutung. Andere bleiben Teil der Identität – freiwillig oder unfreiwillig. Das Entfernen solcher Zeichen kann gefährlich sein, besonders bei ehemaligen Gangmitgliedern.
Fazit
Gefängnistattoos sind keine Modeerscheinung. Sie sind verschlüsselte Aussagen über Vergangenheit, Zugehörigkeit und Überleben. Ihre Symbolik ist oft eindeutig – zumindest für jene, die die Sprache verstehen. Für alle anderen bleibt sie verborgen.